Budapest-Belgrad-Widin

07.-28.08.2023

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Der Besuch Budapests klang immer noch nach, als wir nach zwei Tagesetappen die Grenze nach, ja, wohin eigentlich?, erreichten. Plötzlich und unerwartet, da in den Vorbereitungen zur Streckenplanung unbemerkt, standen wir im Niemandsland des Dreiländerecks Ungarn-Kroatien-Serbien, wobei uns bewusst wurde, martialisch dokumentiert durch die, die serbische Grenze mit ‚NATO-Draht‘ markierende, Stacheldrahtbewehrung, dass wir uns hier an einer EU-Außengrenze befinden. Wie ungewohnt für den sich innerhalb der EU ohne Grenzabsperrungen und -kontrollen frei bewegenden Reisenden.

ungarisch-kroatisch-serbische Grenze
Zeltplatz im Dreiländereck

Bis dahin war die Fahrt, überwiegend über den Donaudamm, auf teils gut asphaltierten, teils über kräftezehrende Trampelpfad- oder Schotterabschnitte, relativ ereignisarm und vom Landschaftsbild her wenig abwechslungsreich verlaufen – rechts Auenwälder und -wiesen, links Mais- und Sonnenblumenfelder, Brachwiesen oder kleinere Waldabschnitte. Ohne jede Erhöhung, lediglich unterbrochen durch Abzweigungen in kleine verschlafene Ansiedlungen mit dem für den Ostbalkan typischen Ortsbild: kleine geduckte Häuser, die sich hinter mehr oder weniger gepflegten Wiesenflächen links und rechts entlang der Hauptstraße aufreihen, jeweils umgeben von einem kleinen Garten, der meist der Selbstversorgung mit Obst und Gemüse gewidmet ist.

Nun also Kroatien, im Dreiländereck. „Hier zelte ich nicht, so nah an der Grenze!“ – Astrids bestimmte Aussage am eigentlichen Ende der Tagesetappe. Gut so, denn rund zehn Kilometer weiter finden wir einen bis dahin der schönsten wilden Zeltplätze, wo wir im Licht des Sonnenuntergangs unser Abendessen zubereiten. Am Morgen weckt uns eine Schafherde, die geschickt von zwei Leiteseln und einem Hirtenhund um unser Zelt herum geführt wird.

Morgengäste
Morgengäste
typische Dorfdurchfahrt

Bedrückend wird auf der Weiterreise der Besuch von Batina, Ende 1944 Schauplatz einer der blutigsten Schlachten des Zweiten Weltkrieges, an die auf beiden Seiten der Grenze Monumente und Museen in eindrucksvoller Weise erinnern. Nicht weniger bedrückend, da in eigener Erinnerung der Ereignisse verhaftet, ist die Durchfahrt durch Vukovar, der Stadt, die im serbisch-kroatischen Krieg 1991-1994, in monatelangen Kämpfen mit Tausenden von Opfern auf beiden Seiten nahezu völlig zerstört wurde. Das Massaker von Vukovar sowie noch heute sichtbare Spuren der Kämpfe und Zerstörungen sind Zeugnisse dieses schwarzen Kapitels jüngster europäischer Geschichte. Seelenlos wirkt heute die am Reißbrett entworfene und neu aufgebaute Stadt wie ein Mahnmal.

serbische Gedenkstätte zur Schlacht um Batina
zerstörter Bahnhof von Vukovar
kroatisches Monument zur Schlacht um Batina
Geschosseinschlag

Ungewohnt sind auch die streng und gewissenhaft durchgeführten Grenzkontrollen, die wir beim wiederholten Wechsel der Uferseiten der Donau durchlaufen müssen. Endlos lange LKW-Kolonnen auf der jeweiligen Einreise-Seite nach Serbien unterstreichen den EU-Außengrenzen-Status. Glücklicherweise müssen wir uns in der Hitze nicht hinten einreihen, sondern können uns an allen Fahrzeugen vorbei, auch den PKWs, legitim vordrängeln.

Wie erfreulich dagegen die Begegnung mit Mirko, dem Campingplatz-Eigner bei Apatin. Als alleinige Gäste von ihm mit größter Gastfreundlichkeit und Hilfsbereitschaft geradezu verwöhnt, fällt es uns leicht, bei ihm einen Ruhetag einzulegen. Oder wie wunderbar der Zeltplatz bei Begeč, als wir ohne vorherige Einkaufsmöglichkeiten hungrig und nach anstrengender Hitzeetappe erschöpft an einem herrlichen Badesee mit freundlichem Restaurant und Gratis-Zeltwiese landeten. Oder das ökologische Cyclo-Camp bei Krčedin, deren liebenswürdigen Gastgeber uns nicht nur ein leckeres Abendessen zubereiten, sondern uns noch mit wertvollen Tipps für die Weiterreise versorgen, dank derer wir auch den Weg zur grünen Oase in Negotin, dem von Bojan in sehr individueller, charmanten Weise geführten ‚Base-Camp for Adventureres & Urban Guerillas‘ finden.

Camping Apatin
Cyclo-Camp bei Krčedin
Base-Camp for Adventureres & Urban Guerillas
freundlich und hilfsbereit: Mirko
Cyclo-Camp bei Krčedin
Base-Camp for Adventureres & Urban Guerillas

Unser Aufenthalt in Belgrad, im Herzen dessen kleinen, aber gemütlichen Altstadt wir eine schöne Bleibe für einen Ruhetag finden, wird dennoch nur bedingt positiv in Erinnerung bleiben. Schuld daran ist weniger der Touristenstrom, in dem wir uns plötzlich eingefangen fanden, als vielmehr die furchtbar anstrengende Fahrt aus der Stadt zurück auf den Donauradweg. Nach Besuch des mächtigen, die Stadt überragenden, beeindruckenden Saint-Sava-Doms verfahren wir uns und finden nicht die einfache, da flache Strecke aus der Stadt, sondern klettern in der Mittagshitze über gefühlt sämtliche steile Höhen, über die sich die Stadt erstreckt, um den Weg zur Donaufähre zu finden. Dort nahezu am Ende unserer Kräfte endlich angekommen, verpassen wir auch noch um nur Minuten die Abfahrt der letzten Fähre vor deren zweistündigen Mittagspause. 

Saint-Sava-Dom, Belgrad
Saint-Sava-Dom, Belgrad
Saint-Sava-Dom, Belgrad

Nachhaltig und als eines der Highlights bisher wird ohne Zweifel die Passage der Donau durch das Gebirge der transsylvanischen Alpen, südlicher Ausläufer der Karpaten, in unserer Erinnerung verhaftet bleiben. Zu mächtig die Bilder der steilen, die Donau bis auf eine minimale Breite von 150 m bei 80 m Tiefe einengenden Felswände, zu großartig die Ausblicke auf Europas, nach der Wolga, zweitgrößten Strom, der oftmals eher einem See gleicht, als dass man diesen Teil der Reise nicht in seiner Einzigartigkeit und Schönheit festhalten könnte. 

Blick aufs Eiserne Tor
Decebalus
Blick aufs Eiserne Tor
Blick auf die Donau aus 222 m Höhe

Verhalten und scheinbar zögerlich erscheinen deshalb die Bemühungen von serbischer Seite, die Schönheiten dieser Region durch eine touristische Infrastruktur aufzuwerten und kommerziell zu nutzen, was aber geradezu einen besonderen Charme ausmacht und für Reisende wie uns das Budget noch nicht zu sehr belastet. Komfortable Unterkünfte in den Kleinstädten am Donauufer sind für Preise unterhalb deutscher Jugendherbergsraten leicht zu finden, so wie auch Lebensmittel- und Restaurantpreise weit unter deutschem Preisniveau liegen.

Donaudampfschifffahrtsgesellschaft
Donauidylle
Abendstimmung in Milanovac
Donau – Fluss oder See

Nun aber werden wir unsere Radreise unterbrechen und eine Strecke mit dem Zug bewältigen, da uns die große, nun schon lange andauernde und auch weiterhin erwartete Hitze es unmöglich machen, rechtzeitig zum mit unseren iranischen Freunden vereinbarten Termin in Istanbul einzutreffen. Zwangspausen im Schatten über die Mittagszeit hinweg reduzieren die Tagesetappen-Leistungen zu sehr. 

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